Was nun mit Goslar?

Der Wahlausschuss wird erst morgen tagen, aber das Ergebnis ist jetzt schon deutlich genug: Der Goslarer Oberbürgermeister Henning Binnewies (SPD) ist abgewählt. Nach dem der Rat mit nur drei Gegenstimmen beschlossen hatte, das Abwahlverfahren einzuleiten, haben jetzt 87% der Wähler dem zugestimmt, bei einer Wahlbeteiligung von 44% - kein schlechter Wert wenn man berücksichtigt dass es eine sehr plötzlich angesetzte Kommunalwahl war, für die der Wahlkampf ausschließlich in NDR, Goslarscher Zeitung und dem Internet statt fand.

Gründe der Abwahl.

Zu der Abwahl gab es letztlich auch keine sinnvolle Alternative. Herr Binnewies hat es immer wieder geschafft, letztlich so ziemlich jeden, der in Goslar wichtig ist oder sich dafür hält, vor den Kopf zu stoßen. Dazu kommen Vorwürfe, dass die Verwaltung der Stadt Freunde von Binnewies beispielsweise bei dem Verkauf eines Grundstückes bevorzugt hat, während auf der anderen Seite erklärte Gegner des OBs von Schikane beispielsweise bei Baugenehmigungen berichten. Was daran stimmt ist für mich sehr schwer zu sagen, aber die Vorwürfe sind konkret und die Rechtfertigungen vage genug, dass es mir schwer fällt zu glauben, es wäre nichts an ihnen dran. Dazu kommen auch noch Nettigkeiten wie die Tatsache, dass die Finanzverwaltung der Stadt anscheinend völlig damit überfordert ist, die Stadt auf die doppelte Buchführung umzustellen, und es daher durchaus ein gewisses Rätsel ist, wie viel Geld und Schulden die Stadt denn nun eigentlich hat. Und natürlich beschwerte sich der Rat wiederholt darüber, dass seine Beschlüsse von der Verwaltung gerne mal ignoriert wurden. Unter diesen Umständen wäre es nicht wirklich sehr realistisch gewesen, zu erwarten, dass es doch noch zu einer sinnvollen Zusammenarbeit kommen würde.

Wie weiter?

Aber gut. Am 12. April übernimmt der Erste Stadtrat (Klaus Germer) die Verwaltungsaufgaben und die Stellvertreterinnen die repräsentativen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass vor den niedersächsischen Kommunalwahlen am 11. September 2011 noch ein richtiger Nachfolger kommt. Wer auch immer dann der/ die neue Bürgermeister/Bürgermeisterin wird, hat aber keine leichte Aufgabe vor sich.

Goslar ist eine sehr stolze Stadt. Zwar ist die größte Hochzeit mit den Riechenberger Verträgen immerhin schon 1552 zu Ende gegangen, aber das scheint viele hier nicht sehr zu stören. Die Stadt leistet sich ein sehr umfassendes Kulturprogramm, viel moderne Kunst inklusive eines eigenen Kunstpreises (der Goslarer Kaiserring) und noch gleich einem weiteren für Musik (der Paul-Lincke-Ring), ein recht großes Theater, ein umfassendes Programm in Kleinkunst und so weiter, dazu aber natürlich noch verschiedene Museen und eine enorme Anzahl Baudenkmäler in der historischen Altstadt (gegründet 922). Auch sonst gibt es viele Sachen, die anderswo schon längst weg wären, wie ein leidlich akzeptables Stadtbusnetz oder dass die Schulen in städtischer Trägerschaft liegen (und nicht beim Landkreis).

Zu einem gewissen Grade könnte man meinen, die Stadt kann sich das erlauben. Goslar spielt eine wichtige Rolle als regionales Mittelzentrum. Kurz gesagt: Wenn man am Nord-West-Ende des Harzes oder in dessen Vorland wohnt, dann ist Goslar die Stadt, in die man am ehesten fährt um mal zu shoppen, ins Kino zu gehen und so weiter. Auch der Tourismus ist relativ stark, wogegen er weiter im Inneren des Oberharzes[^1] stark zurückgeht.

[^1]: Der echte Oberharz. Die Stadt “Oberharz am Brocken” in Sachsen-Anhalt liegt weder im Oberharz noch am Brocken.

Darunter muss man aber sehen, dass es Goslar keineswegs gut geht. Die Einwohnerzahlen sind seit 1961 kontinuierlich zurückgegangen (die einzige Ausnahme entstand durch die Eingemeindung von Hahnenklee 1973). Die traditionellen Beschäftigungen, wie die Erzgewinnung und Verarbeitung, aber auch Sekundärmetallerzeugung und selbst das Gose-Bier sind schon lange eingestellt oder haben ihre Bedeutung verloren. Mit der Wiedervereinigung hat sich zwar der Kundenkreis für die Goslarer Geschäfte stark nach Osten erweitert, aber mit Wernigerode und Halberstadt ist auch neue Konkurrenz entstanden. Die direkte Zonenrandförderung, aber auch die Bundeswehr und der Bundesgrenzschutz, sind weg. Andere Industrie hat das zu einem großen Teil aufgefangen, aber trotzdem liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 10%. In Rankings, wie gut eine Region für die Zukunft aufgestellt ist, wie familienfreundlich und so weiter, landet der Landkreis Goslar gerne weiter hinten.

Also sind Einschnitte notwendig, auch und gerade da, wo es weh tut. Das zu vermitteln wird nicht einfach - die größte Demonstration in Goslar in den letzten zehn Jahren war vor wenigen Wochen, als bekannt wurde, dass die Theaterpädagogik, in Goslar sehr stark, im Prinzip abgeschafft werden sollte. Ich bin nun nicht unbedingt der größte Freund der Goslarer Theaterpädagogik (und wüsste über Bekannte sogar ein paar sehr schöne Stories über ungerechte Bevor- und Benachteiligung bei einigen Projekten), aber es zeigt, dass es nicht einfach wird, alles zu kürzen.

Und natürlich löst eine Streichliste nicht die Probleme der Stadt. Es werden kaum mehr Leute nach Goslar ziehen nur weil die Stadt gerade weniger attraktiv wird. Natürlich können die vielen Fördervereine einiges besonders im Kulturbereich übernehmen, aber deren Leistungsfähigkeit ist auch begrenzt (nicht zuletzt weil es immer die selben sind, die in den verschiedenen Vereinen engagiert sind). Goslar muss mehr investieren und zukunftsfähiger werden. Ansätze wie das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) sind gut, genau wie auch der neue Masterstudiengang Energienochwas. Beide gehören zur TU Clausthal. Ich persönlich denke, dass Goslar alles daran setzen sollte, so viel wie möglich von der TU aus der Bergstadt herunterzuholen. Das würde Goslar gut tun und, dank deutlich besserer Verkehrsanbindung und einer deutlich attraktiveren Stadt, auch der TU und deren Studenten[^2]. Es würde wohl der Stadt Clausthal-Zellerfeld nicht gut tun, aber irgendwo sehe ich für die Stadt so oder so keine großen Zukunftsperspektiven mehr.

[^2]: Clausthal-Zellerfeld ist die einzige Universitätsstadt Deutschlands ohne Bahnanschluss (1977 eingestellt) und, mit Blick auf das Wetter, zwei Wintersemestern pro Jahr. Trotzdem sind die Studentenzahlen in den letzten Jahren gestiegen, was mich etwas verwundert. Die Innenstadt hat aber trotzdem mehr und mehr zugemacht.

Zusammenfassung

Der neue Oberbürgermeister muss also Sachen, die den Goslarern lieb und teuer sind, streichen, und sie davon überzeugen dass sie das selbst wollen. Er oder sie muss aber gleichzeitig Geld finden, um die Stadt neu zu positionieren, Wirtschaft und Forschung anzulocken, und das auch auf Kosten der anderen Städte in der Region. Ich will nicht sagen, dass wir einen Zauberer brauchen; schlecht wäre es aber auch nicht.

Geschrieben am 10. April 2011 um 19:10

1 Kommentare

  1. Geschrieben 18 August 2011

    Rolf Kammer

    Guter Artikel.Ich dachte immer, Du wärst jetzt gedanklich mehr in Aachen.Sprachlich sind Deine Artikel gut,sie sind auch nachdenklich. Also so zwischen 1 und 2. Es gibt einige Kommafehler.Bist Du da großzügig?oder siehst Du sie nicht? Opa

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